Am 1. März 2012 tritt der größte Teil des “Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen” (ESUG) in Kraft. Eine der zahlreichen Änderungen der Insolvenzordnung schafft die Möglichkeit, insbesondere Geschäftsführer persönlich und unmittelbar auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe der zu erwartenden Kosten des Insolvenzverfahrens in Anspruch zu nehmen, wenn sie es pflichtwidrig unterlassen haben, für ihre Gesellschaft bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.
Diese Pflicht zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses greift dann ein, wenn andernfalls ein gestellter Insolvenzantrag mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Insolvenzmasse abgewiesen werden müßte. Den Verfahrenskostenvorschuß kann nicht nur der vorläufige Insolvenzverwalter, sondern “jede Person verlangen, die einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat”. Künftig wird die Abweisung eines Insolvenzantrags über eine GmbH mangels Masse deshalb regelmäßig erst dann erfolgen, wenn auch der Geschäftsführer persönlich kein pfändbares Einkommen und Vermögen mehr hat.
Die Vorschußpflicht betrifft allerdings nicht ausschließlich Geschäftsführer: Nach dem neuen § 26 Abs. 4 InsO ist zur Leistung des Vorschusses “jede Person” verpflichtet, “die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.” – Das können neben dem eingetragenen Geschäftsführer auch z.B. der faktische Geschäftsführer sein oder die Gesellschafter, die für den Fall der Führungslosigkeit ihrer GmbH selbst verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Relevant ist das nicht nur in den Fällen, in denen einkommens- und vermögenslose “Strohmänner” als Geschäftsführer vorgeschoben werden.
Schon jetzt können Gläubiger eine Insolvenzeröffnung erzwingen, d.h. verhindern, daß ihr Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird, indem sie selbst die Kosten des Insolvenzverfahrens vorschießen. Diesen Vorschuß können sie vom Geschäftsführer erstattet verlangen, wenn dieser seine Insolvenzantragspflicht verletzt hat. Trotzdem steht diese Erstattungspflicht vielfach nur auf dem Papier, weil die Gläubiger den Vorschuß nicht zu leisten bereit sind. Die neue Regelung des § 26 Abs. 4 InsO wird die tatsächlichen Haftungsgefahren (insbesondere) der Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung deshalb deutlich erhöhen.
Für Gläubiger kann ein Insolvenzantrag bei der Durchsetzung ihrer Forderungen erfolgversprechender sein als die Einzelzwangsvollstreckung. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie es mit dubiosen Schuldnerunternehmen zu tun haben: Insolvenzverwalter haben deutlich bessere Möglichkeiten, gläubigerbenachteiligende Vermögensverschiebungen und Insolvenzstraftaten aufzudecken, als einzelne Gläubiger, die keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen und Kontoauszüge ihres Schuldners haben.
[Sonntag, 29. Januar 2012]