Auch außerhalb der juristischen Fachwelt wurde in den vergangen Jahren erheblich über die Abschaffung des Mindeststammkapitals bei der GmbH diskutiert. Gesetz geworden ist eine vermittelnde Lösung: Es gibt jetzt als kleine Schwester der GmbH die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), die mit einem statutarischen Stammkapital von 1,- € auskommt. Etwas in den Hintergrund getreten ist bei der Diskussion, daß es im Regelfall schon illusorisch ist anzunehmen, daß ein Stammkapital von 25.000,- € der GmbH die für ihren Geschäftsbetrieb notwendige Kreditwürdigkeit verschafft. Insbesondere Banken gewähren der GmbH Kredite normalerweise nur, wenn neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter haften, z.B. aufgrund von Bürgschaften. Die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit einem Mindeststammkapital von nur einem Euro deutet deshalb bereits auf den mit der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG vollzogenen Paradigmenwechsel hin, den die Gesellschafter bei der Unternehmensfinanzierung unbedingt berücksichtigen müssen:
Während Gesellschafterdarlehen früher im Insolvenzverfahren grundsätzlich normale Insolvenzforderungen waren, werden jetzt (nahezu) alle Darlehen, die die Gesellschafter der Gesellschaft entweder selbst zur Verfügung gestellt haben oder aber – gegen Übernahme bspw. einer Bürgschaft – durch Dritte haben zur Verfügung stellen lassen, im Insolvenzverfahren nur nachrangig befriedigt, also praktisch wie Eigenkapital behandelt. Früher konnten Gesellschafterkredite nach § 32a GmbHG a.F. zwar auch kapitalersetzend sein oder werden; in der Krise der Gesellschaft hatten die Gesellschafter – auch „als ordentliche Kaufleute“ (§ 32a GmbHG a.F.) – aber die Entscheidung, ob sie die Reißleine ziehen oder der Gesellschaft neues Eigenkapital zuführen. Nur wenn sie weder Insolvenzantrag stellen ließen, noch neues Eigenkapital zuführten, mußten sie die Konsequenz tragen, daß ihre Darlehensforderungen an die GmbH wie Eigenkapital behandelt wurden. Das ist jetzt anders.
Haben die Gesellschafter sich für einen Kredit an die GmbH verbürgt, muß die Bank sie im Falle der Insolvenz der GmbH vorrangig, d.h. vor der Gesellschaft, in Anspruch nehmen (§ 44a InsO); nur in Höhe des Ausfalls beim Bürgen kann sie die Darlehensforderung gegen die GmbH zur Insolvenztabelle anmelden. Die Regreßforderung der Gesellschafter nach Leistung auf die Bürgschaft hingegen wird im Insolvenzverfahren der GmbH nur nachrangig befriedigt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).
Die Diskussion über die Abschaffung des Mindeststammkapitals bei der GmbH hat also verschleiert und verschleiert weiterhin, daß sich der Haftungsumfang der Gesellschafter bzw. das Verlustrisiko teilweise drastisch erhöht hat.
Weniger scharf hingegen ist die Haftung neuerdings bei den Nutzungsüberlassungen, wie sie z.B bei Betriebsaufspaltungen vorkommen. Im Falle sog. kapitalersetzender Nutzungsüberlassung hatten Gesellschafter früher bei Insolvenz der GmbH dieser das an sie vermietete oder verpachtete Betriebsgrundstück u.U. über Jahre hinweg – unentgeltlich – zur Verfügung zu stellen. Jetzt kann der Insolvenzverwalter die weitere Nutzungsüberlassung betriebsnotwendiger Gegenstände nur für ein Jahr ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nur gegen finanziellen Ausgleich verlangen (§ 135 Abs. 3 InsO).
[Donnerstag, 30. Juni 2011]